Stell dir vor, du redest morgen mit Bekannten über den Tod. Was wird passieren?
Werden sie sagen: “Ja, ein wichtiges Thema, lass uns drüber reden ...”? Wohl kaum.
“Na, na, du bist doch nicht krank, oder? Hör mal, wer wird denn vom Sterben reden?
Also so alt bist du doch noch gar nicht. Jetzt lass uns aber mal über was schöneres reden ...”
Und selbst wenn du krank bist, oder alt, oder sogar beides zusammen, werden die Reaktionen nicht anders sein: “Ach das wird schon wieder. Du wirst noch 100 Jahre. Das hat doch noch Zeit. ...”
Wie kleine Kinder, die sich die Hand vor die Augen halten und rufen: “Weg bin ich”, so verdrängen wir das Thema Tod und Sterben. Als ginge es uns nichts an, oder als würden wir den Tod herbeireden, wenn wir darüber sprechen.
Das in unseren Fernsehprogrammen vom Trickfilm bis zum Actionthriller täglich Hunderte sterben, scheint uns dagegen nicht zu beunruhigen.
Die Folge dieser Verdrängung ist Sprachlosigkeit, Unsicherheit, Angst und ...
viele verpasste Chancen.
Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen,
auf dass wir klug werden. (Psalm 90,12 )
Um Klugheit geht es, um Lebenskompetenz, die wir gerade im Gespräch über die Lebensgrenze gewinnen können. Um Möglichkeiten, wie wir uns auf unser Sterben vorbereiten können. Und um einfache Gestaltungsmöglichkeiten, wie wir den Tod eines Menschen besser bewältigen können.
Jedes Lebewesen fürchtet instinktiv den Tod. Diese Abwehr ist tief in uns verwurzelt. Das macht auch Sinn, denn sie macht uns sorgsam im Umgang mit dem Leben. Die Angst vor dem Tod hat eine biologische Funktion. Sie stärkt unseren Lebenswillen.
Aber auch der Tod ist biologisch in uns verwurzelt und nicht etwa eine Fehlfunktion. Denn stell dir vor, du würdest ewig leben. Wäre das wirklich erstrebenswert?
Die Bibel beschreibt den Tod nach einem erfüllten Leben positiv. Z.B.:
Und Abraham verschied und starb in einem guten Alter,
als er alt und lebenssatt war,
und wurde zu seinen Vätern versammelt. (1 Mose 25,8)
Und auch das macht Sinn, denn ohne die Lebensgrenze verlöre alles in unserem Leben seine Farbe, seinen Geschmack, seine besondere Bedeutung.
Würden wir ewig leben, wäre unser Leben nur eine endlose Wiederholung.
Kein Augenblick und keine Entscheidung hätte Bedeutung, denn was heute nicht ist, wäre morgen oder übermorgen oder über-übermorgen oder irgendwann.
Die Endlichkeit unseres Lebens verleit ihm Einmaligkeit und jedem unwiederbringlichen Lebensmoment einen besonderen Wert. In die Unendlichkeit verlängert würde unser biologisches Leben dagegen ‘tödlich’ langweilig. Alles hat darum seine Zeit - seine angemessene Zeitspanne:
Leben hat seine Zeit und Sterben hat seine Zeit,
wie Prediger Kap. 3 es beschreibt.
Leben beschreibt eine Qualität und ist an der Zeitdauer nicht angemessen zu messen. Diese Erfahrung machen viele Menschen, gerade wenn sie der Grenze des Lebens gewahr werden. So beschreiben Menschen, die sich der Endlichkeit ihres Lebens stellen mussten, dass sie darauf hin intensiver gelebt und einen Blick für das Wesentliche entdeckt haben.
Geboren werden und sterben - Leben und Tod gehören zusammen. Der Blick auf die Lebensgrenze schärft meine Wahrnehmung für die Lebensmitte.
Jedem von uns werden viele Anlässe geschenkt, uns mit der Endlichkeit des Lebens auseinanderzusetzen. Vor allem Begegnungen mit anderen Menschen. Begegnung mit Menschen, die schwere Krankheiten erleben, mit alten Menschen, mit Trauernden. Solche Begegnungen können sehr intensiv sein.
Manche dieser Menschen werden uns zu Lehrenden, weil sie uns zeigen, wie lebensbejahend es sein kann, dem Tod zu begegnen.
Sie lehren uns den Blick für das Wesentliche. So wie Jesus uns lehrte:
Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden,
wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen.
Sammelt euch aber Schätze im Himmel,
wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz. (Matthäus 6,19-21)
Und das bedeutet eben nicht nur, von bedeutungslosen Reichtümern zu lassen,
sondern auch bedeutsame Schätze zu sammeln.
Im Angesicht des Todes läst sich leichter unterscheiden, was wirklich kostbar ist.
Sie lehren uns auch loszulassen.
Nicht nur materielle Werte, sondern alles was unser Herz schwer macht und belastet:
Dadurch dass wir wahrnehmen, was jetzt ist;
indem wir uns bemühen, zu klären, was uns aus der Vergangenheit drückt und uns damit versöhnen; und indem ich das, was abgeschlossen ist, ruhen lasse.
Sie lehren uns, was einfach und grundlegend hilfreich ist, wenn wir Sterbenden begegnen. Jesus bittet seine Freunde in der Nacht vor seinem Tod: Bleibet hier und wacht mit mir! (Markus 14,23) Ein Satz aus dem Lukasevangelium 24,29 formuliert die Sehnsucht nach Geborgenheit und Schutz, die jeder Mensch in sich trägt und macht deutlich, dass wir nicht viele Worte brauchen, sondern zugewandte Nähe: Herr, bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt.
Und sie lehren uns, das zu suchen, was uns wirklichen Halt gibt. Mit einfachen Worten sagt Petrus: Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes. (Johannesevangelium 6,68-69)
Es gibt einen Halt, der über die Grenze dieses Lebens hinausweist, der uns hält, wenn wir alles loslassen und in dem wir geborgen bleiben, wenn wir Abschied nehmen.
Dieser Halt läßt sich nicht äußerlich erklären, sondern nur erfahren. Ein einfaches Gebet ist manchmal der erste Schritt dazu:
Gott,
vor Dich bringe ich alles, was mich bewegt.
Du verstehst mich auch ohne Worte.
Schenke mir deine Nähe.
Tröste mich mit deiner Güte.
und halte mich durch deine Liebe. Amen
Ich besuche einen krebskranken Mann. Er sagt: “Ich weiß, dass ich bald sterben werde.” Ich frage ihn: “Reden sie auch mit ihren Kindern darüber?”
“Nein, ich will sie damit nicht belasten.”
Später spreche ich die Angehörigen an: “Sie wissen, dass ihr Vater bald sterben wird. Sprechen sie mit ihm darüber?”
“Nein, er soll doch nicht denken, dass wir ihn loswerden wollen.”
Eine paradoxe Situation. Ich habe sowohl dem Mann, wie seinen Kindern Mut gemacht, dass Thema anzusprechen. Sich ihre Traurigkeit und Bedenken gegenseitig zuzugestehen und mitzuteilen. Sie haben den Mut dazu gefunden und mir später davon erzählt:
“Wir haben zusammengesessen und uns alles von der Seele geredet,
wir haben geweint und wir waren uns sehr nahe.”
Trösten heißt nicht beschwichtigen, und auch nicht die Trauer wegnehmen,
trösten bedeutet Nähe schenken.
Und muß ich auch wandern durchs finstere Tal, fürchte ich kein Unglück,
denn du bist bei mir. Psalm 23,4
Was nach dem Tod kommt liegt im Dunkel. Daraus können Befürchtungen, Phantasien, bedrohliche Vorstellungen erwachsen, die mir Angst machen. Wenn ich diese Ängste jemandem mitteilen kann, bin ich nicht mehr so ausgeliefert und erfahre Trost.
Wenn du jemanden Nähe schenkst, bist du Botschafter der Liebe Gottes.
Diese reale Erfahrungen menschlicher Nähe, erlaubt dann auch den Hinweis auf den weiter- reichenden Zuspruch Gottes, mich nicht dem Tod zu überlassen. Dies ist die zentrale Aussage des Psalm 23, dass ich nicht allein bin und bleibe; sondern dass Gott meinen Weg durch das Dunkel mitgeht. Ein Segenszuspruch kann das ausdrücken:
So spricht der Herr, der dich geschaffen hat:
Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst.
Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.
Jesaja 43,1
Jesus Christus spricht: In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost,
ich habe die Welt überwunden.
Johannes 16,33
Christus spricht: Ich bin die Auferstehung und das Leben.
Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt;
und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.
Johannes 11,25-26
Der Herr wird mich erlösen von allem Übel
und mich retten in sein himmlisches Reich.
Ihm sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit.
2.Timotheus 4,18
In deine Hände, Herr, befehle ich meinen Geist.
Du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott.
Psalm 31,6
Der Herr behüte dich vor allem Übel,er behüte deine Seele.
Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit!
Psalm 121,7-8
Es gibt viele Möglichkeiten, die natürlich ganz an dem Einzelfall orientiert sein sollen und die uns helfen, Klage und Dank, Trauer und Hoffnung, unseren Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, wenn Kinder ein Bild gemalt haben, dass an den Sarg geheftet wurde, Angehörige einen Text ausgesucht oder selbst geschrieben haben, der verlesen oder ins Grab gelegt wurde, wenn ein Blatt mit einem Meditationsbild verteilt wurde, ... Halte Ausschau nach
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die vom Leben erzählen und dem Tod nicht ausweichen ...